Movie-Review: Mord im Orientexpress


01. Dezember 2017

Ich oute mich als absoluter Agatha Christie-Fan. Ihre Krimis waren so ziemlich das erste, was ich nach meiner langen und sehr intensiven Astrid-Lindgren-Phase an "Erwachsenenliteratur" gelesen habe. Im Nachhinein ist es eigentlich ziemlich interessant, dass meine Eltern ihrer jugendlichen Tochter ausgerechnet Krimis zu lesen gaben, anstatt mich die rosarote Pferde- und Mädchenliteratur entdecken zu lassen. Ich würde behaupten, geschadet hat es mir nicht und meine Krimiliebe hält bis heute an.

 

Da hab ich natürlich laut "Hurra" geschrien, als im Kino der Trailer zur Verfilmung von "Mord im Orientexpress" lief. Das klingt auch alles wirklich vielversprechend. Absoluter Krimiklassiker trifft auf eine, von Natur aus gute, Story und eine MEGA Hollywoodbesetzung. Ich werfe mal kurz mit Namen um mich, die den kritischen Kinogänger überzeugen sollen: Johnny Depp, Michelle Pfeiffer, Willem Dafoe, Penelope Cruz. Sie alle, und noch einige ambitionierte Jungschauspieler, sind im Cast dabei.

 

Man sollte noch erwähnen, dass der Regisseur (Kenneth Branagh) praktischerweise direkt gleich selbst in die Hauptrolle von Hauptfigur und Meisterdetektiv  Hercule Poirot geschlüpft ist. Man hat also fast satte zwei Stunden Zeit (!), um folgende Geschichte zu erzählen:

 

Poirot will von Istanbul nach London reisen und steigt dafür in den Orient-Express, eine Eisenbahn. Unterwegs stoppt die Bahn mitten auf der Strecke, da Schnee die Gleisen blockiert. Zu dieser Zeit muss in einem der Abteile wohl der ominöse Mord eines Ganoven passiert sein, der ihn von nun an beschäftigt. Poirot vermutet den Mörder unter den Passagieren und während er Indizien und Aussagen sammelt, bemerkt er, dass sich partout kein stimmiges Gesamtbild ergeben will. Viel eher sieht es so aus, als gäbe es eine Verbindung aller Passagiere mit dem Ermordeten, die in der Vergangenheit liegt. Poirot muss sich beeilen, bevor der Mörder vielleicht noch einmal zuschlägt.

 

Machen wir es kurz, mich hat der Film nicht überzeugt. Und ja, ich gebe zu, ich bin sogar kurz eingenickt. Dabei war der Kinosaal total voll, überall raschelte es in den Popcorntüten und so ganz ruhig war es nie. Woran lag es also?

 

Erstens, er hatte so seine Längen. Waaaahnsinnig viele davon. Einige Verhörszenen hätte man wirklich kürzen können, bei den Dialogen wusste man teilweise am Ende gar nicht mehr, worum es eigentlich ging. Selbst das Intro, das in Jerusalem spielt, präsentiert noch in aller epischer Breite das Können Poirots. Die zehn Minuten hätte man sich locker sparen können.

Zweitens, die einzelnen Mordmotive der Verdächtigen wurden, ohne, dass ich zu viel vom Ende verraten will, so verwirrend dargestellt, dass ich irgendwann ausgestiegen bin, obwohl ich das Buch diverse Male gelesen habe. Das Miträtseln und Kombinieren wird beim Zuschauen total erschwert, und dabei möchte man das so eigentlich so gern, oder?

 

Drittens, Poirot selbst. Ja, es ist ein kauziger, älterer Herr mit Schnurrbart und Stil. Aber leider eine recht durchgestylte Variante, der ich es null abgekauft habe, der sympathische Mann zu sein, den ich beim Lesen vor Augen hatte. Er war immer sehr bemüht irgendwie mysteriös rüberzukommen, mir fehlte einfach das Lockere, Entspannte, Besondere, Verschrobene. 

 

"Mord im Orientexpress" ist einer der meistverkauften Krimis aller Zeiten, aber leider zählt die aktuelle Verfilmung absolut nicht zu einer der besten Versionen. Die Kostüme und Requisiten sind zwar echte Hingucker, genau wie der Orient-Express selbst, aber die Spannung, die man sich erhofft, ist fast nicht vorhanden. 

 

Für einen kalten Winterabend vor dem Fernseher ist sie zwar total ok, aber ich würde davon abraten, die viel zu überteuerten Karten im Kino dafür zu bezahlen und lieber das Original als Buch empfehlen. Das spart definitiv Nerven! Ach, noch eine kleine Vorwarnung! Am Ende wird Poirots nächster Fall "Tod auf dem Nil" erwähnt und eingebaut, man ahnt es schon, eine weitere Verfilmung wurde bereits abgedreht./i.